JOHANNESBURG
Da lag sie nun stumm auf ihrem Bett, beraubt der Worte, herausgerissen aus der Welt, die ihr seit Tagen den Schutz bot, Vergangenheit hinter sich zu lassen. Das Licht der afrikanischen Sonne gab ihr Wärme. Und sie ließ es zu. Genauso, wie sie jetzt zuließ, daß diese Stimme so frech durchs Telefon kroch, 10 000 km weit weg und doch so nah. So nah, Verwirrung zu entfachen wie ein Buschfeuer, das plötzlich in der Wüste ausbricht, nicht mehr Geduld übend, den ersehnten Regen abzuwarten. Das andere Leben am anderen Ende war schmerzlich nahe, bot sich ihr für Momente wie ein nie erwarteter Strauß intensivster Farben. Blumen breiteten sich über ihre Seele aus. Musik legte sich wie leise fallender Schnee auf glühende Haut. Orientalische Düfte ließen Schwere in die Bewegungen fließen. Ihre Augen wetteiferten mit dem Glanz des blauen Topas, ein Kaleidoskop berührender Bilder drang in sie ein, in ihre Phantasie und versteckte sich darin. Sie schmeckte das Salz auf ihren Lippen, verloren aus Tränen. Die samtene Kühle der afrikanischen Nacht streichelte ihre Wangen, scheu berührte sie sie gleich einem flüchtigen Gefühl.
Und in ihr rauschte das Meer. Sie träumte von Cape Town. Nein, noch mehr, sie erwartete diese Brandung, die sie niederreißen, die sie begraben würde mit ihrer nie endenden Kraft. Woge um Woge, nie gleich, schier unendlich in ihrer Vielfalt. Sie war der Strand, liebevoll und wild ergab sie sich der formenden Hand. Das Meer umhüllte sie wie ein neues Kleid. Sie genoß die Nacht mit ihren Versprechungen. Der Mond im Löwen erleuchtete mit dieser Kraft ihr Bett. Sie hielt Zeit und Raum in ihren kleinen Händen. Und mit dieser Zartheit begehrte sie unerbittlich das, was sie liebte: das Leben, nackt und ehrlich und schön.
Die Löwin war angekommen.
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